Teplitz-Schönau – Die Partisaneneinheit „Pěst“ führte gemeinsam mit den örtlichen Sicherheitsorganen, der Gendarmerie und später mit dem 1. Bataillon der Armee (Panzerzug) im Gebiet Teplitz-Schönau die ersten „Säuberungen“, d. h. Aussiedlungen von Deutschen durch. Ende Mai 1945 wurde mit der „Evakuierung“ der Reichsdeutschen begonnen und Anfang Juni mit der „Abschiebung“ der alteingesessenen deutschen Bevölkerung. Teplitz wurde zu einem wichtigen Zentrum für die Annahme und weitere Verteilung der Transporte in Richtung Zinnwald (Sachsen). Die Quellen belegen, dass bis Mitte August aus diesem Gebiet an die 30.000 Deutsche „ausgesiedelt“ wurden. Spätestens ab Mitte Juni lagen die Aussiedlungen fest in der Hand der regulären Armee.
Bericht der Tschechoslowakischen Armee vom 9. Juni 1945 nach Prag: „In Teplitz-Schönau wird die Aussiedlung der Deutschen systematisch von Haus zu Haus durchgeführt und sie werden mit Lastwagen nach Zinnwald gebracht, wo sie einer strengen Durchsuchung der Grenzwache unterzogen werden. Nach dieser Durchsuchung werden sie zu Fuß über die Grenze geschickt. Es geschieht oft, dass sich die Aussiedler um Hilfe an die örtliche russische Kommandantur wenden, in den meisten Fällen aber ohne Erfolg.“
Bericht der Tschechoslowakischen Armee, 2. Abteilung der Kommandantur VO1, in: Adrian von Arburg /Tomáš Staněk (hg.), Dokumente aus tschechischen Archiven, Band II. 1.: Die Aussiedlung der Deutschen und der Wandel des tschechischen Grenzgebiets 1945–1951. Prag 2011
Geheimbericht des Staatssicherheitsdienstes (StB), Zweigstelle Teplitz-Schönau vom 24. Juli 1947 an das Innenministerium in Prag über die Nachkriegsereignisse im Grenzgebiet: „Aufgrund des Erlasses, eine Untersuchung durchzuführen, melde ich, dass Anfang Juni 1945 auf Befehl der Garnison Teplitz-Schönau eine Abteilung von Soldaten in die Munitionsfabrik Welbeth (Velvěty) gesandt wurde. Ihnen haben sich ungefähr zwanzig Partisanen angeschlossen. Diese hatten die Aufgabe, das Munitionsdepot, dass dort bestand , zu bewachen. Der Kommandant war ein gewisser Leutnant Černy, der aus Hnidous bei Slaný stammt. Leutnant Černy fuhr mit einer Gruppe von wahrscheinlich sechs Soldaten in die Dörfer der Umgebung und verhaftete SS-Männer und Nationalsozialisten, die er entweder nach Teplitz-Schönau übergab oder nach Welbeth, wo jedoch alle ihre Spuren verschwinden.
Bisher wurde auf vertraulichem Wege und auf gänzlich unauffällige Art und Weise festgestellt, dass von Leutnant Černy ungefähr 80 Deutsche liquidiert und überwiegend direkt in der Munitionsfabrik in Welbeth verscharrt wurden. Die Handlungen von Leutnant Černy waren äußerst grob und diktatorisch, und alle Exekutionen wurden von ihm durchgeführt oder befohlen. Es muss bemerkt werden, dass Lt. Černy selten nüchtern war und in seinem Handeln und Auftreten in dieser Zeit nicht den kleinsten Widerstand duldete. (Als Zeugen für diese Taten werden namentlich ein ehemaliger Volksverwalter und seine Geliebte angeführt.) Am 12. Juli 1945 fuhr Major Sak in Begleitung mehrerer Offiziere nach Welbeth, um ihn auf Befehl des MNO (Verteidigungsministerium) zu verhaften. Bei dieser Gelegenheit hatte sich Lt. Černy erschossen.“
Archiv der Sicherheitsformationen des Innenministeriums der Tschechischen ABS-Ka, f. A 2/ 1, kart 57, i. j. 1765
Der Zeitzeuge Eduard Sties erinnert sich: „Vom Dorfplatz kam uns eine Gruppe Menschen entgegen, die von drei Männern mit Peitschen und Ochsenziemern angetrieben wurde. Wir konnten unbehelligt an dieser Gruppe vorbeifahren. Wir fuhren (mit Fahrrädern) so schnell wir konnten nach Hertine und Welbeth an der Biela entlang und an der Munitionsfabrik Welboth vorbei. Etwa zwanzig Meter von der Brücke entfernt, die über die Biela führt, sahen wir, wie jemand versuchte, die Böschung zur Straße hochzuklettern. Wir kamen näher und sahen, dass es ein ganz blutverschmierter Mann war, das Gesicht geschwollen und mit Blutergüssen. Wir stiegen von unseren Fahrrädern und zogen den Mann auf die Straße. Dort mussten wir ihm erst auf die Beine helfen. Von selbst konnte er das nicht mehr. Auf unsere Frage, was ihm geschehen sei, sagte er uns, er sei ein Bauer aus Sensemitz. Leutnant Černy und seine Leute hätten ihn abgeholt und in die Munitionsfabrik in Welbeth gebracht. Dort sei er unmenschlich geschlagen und gefoltert worden. Es gelang ihm aber zu flüchten. Er wollte nachhaus nach Sensemitz. Wir boten ihm an, ihn nach Hause zu bringen. Er sagte uns, wir sollten weiterfahren, denn Leutnant Černy würde uns umbringen, wenn er uns mit ihm zusammen sähe.“
Erlebnisbericht von Eduard Sties im Heimatbrief Teplitz-Schönau 2002 (Auszug)
Eine Zeitzeugin berichtet: „Ich, Unterfertigte Julia Käthe Tseng, geb. Patsch, geb. am 19. 4. 1897 in Teplitz-Schönau, wohnhaft in Teplitz-Schönau, Hamburger Straße 459/ 19, durch die Heirat mit meinem verstorbenen Mann Herrn Tseng Dean Yi chinesische Staatsbürgerin, gebe eidesstattlich Folgendes an: Am 9. Juni 1945 wurde ich nachmittags um 15 Uhr durch ein Mitglied des »Národní výbor« (Nationalausschuss) und zwei tschechische Partisanen verhaftet und es wurde mir angedroht, dass ich wegen Spionage erschossen werden soll. Der eine der Soldaten, ein angeblicher Korporal, untersuchte meine Handtasche, nahm mir daraus allen Schmuck und das Geld, außerdem nahm er mir von der Hand zwei Eheringe sowie die Ohrgehänge und ein Kettchen mit Kreuz vom Hals. Der Mann vom »Národní výbor« durchsuchte die ganze Wohnung. Der vorgenannte Korporal war dann nach ca. 14 Tagen der Besitzer des Hotels „Rathaus“ am Marktplatz. Ich wurde sodann mit einem Auto zum Hotel »Sachsen« in der Bahnhofstraße gebracht. Dortselbst wurde ich in ein Zimmer eingesperrt und nach ca. 3-4 Stunden wurde ich von einem Soldaten in das Polizeigefängnis am Marktplatz gebracht. Dort war bereits Frau Frank mit ihrer Tochter Lisbet aus Teplitz, Goetheplan, und ein junges Mädchen aus Auperschin anwesend. Wir mussten eine lange Zeit mit aufgehobenen Händen, mit dem Gesicht gegen die Wand, vollkommen still stehen. Jede geringste Bewegung bewirkte, dass wir mit einer Reitpeitsche geprügelt wurden. Uns prügelte ein Soldat, der später die Speditionsfirma Schuster und Nettel übernommen hat. Geprügelt wurden wir im Gefängnishof, danach mussten wir in den 1. Stock gehen, wobei wir von den Soldaten wieder geprügelt wurden …“
Käthe Tseng, Bericht vom 25. 9. 1949, Dokument Nr. 322 (Auszug ). In: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen. München 1951
Befehl zur „Abschiebung der deutschen Bevölkerung über die Grenze“ vom Kommandanten des 1. Armeekorps für die Kommandantur der 1. und der 12. Division in Prag am 19. Juni 1945, Brigadegeneral František Slunečko (Auszug): „Der Kommandant des 2. Korps führt den Transfer der deutschen Bevölkerung aus dem Raum Reichenberg (Liberec), nach der Übereinkunft mit der Eisenbahnkommandantur in Königgrätz (Hradec Králove), in den Raum Teplitz-Schönau aus, von dort wird er weiter in Richtung Chemnitz geleitet. Die Begleitung der Transportzüge und die Abgabe der transportierten Personen an die sowjetischen Einheiten an der Grenze sichert der Kommandant des 2. Korps. Der Transfer aus dem Raum Tetschen (Dečín) und aus dem Raum Teplitz-Schönau wird auf meinen geheimen Befehl Nr. 34/ 1. Abt. 1945 durchgeführt. In diesem Erlass betont das Verteidigungsministerium, dass die Aussiedlung organisiert durchgeführt werden soll, unter Beteiligung der Landes-, Bezirks- und örtlichen Nationalausschüsse, so dass das Eigentum und lebende Inventar sichergestellt wird und ordentlich der tschechoslowakischen Bevölkerung übergeben werden kann …“ (Militärisches Zentralarchiv VÚA-VHA, f. VO1, kart. 48/1)
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