Das Kaschauer Programm

Dr. Eduard Beneš bei der Proklamation des Kaschauer Programms (Foto:ČTK)

Erste Weichenstellungen waren bereits im Exil erfolgt. Dazu gehörte der Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion, den Ex-Präsident Edvard Beneš im Dezember 1943 in Moskau unterzeichnet hatte. Ebenso gehörte dazu die Annäherung zwischen den Kommunisten und den restlichen Linksparteien.

Das Programm der neuen tschechoslowakischen Regierung, der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken, das weitgehend auf einem Entwurf der Moskauer KPČ-Führung beruhte, wurde auf der ersten Sitzung der Regierung am 5. April 1945 angenommen. Der kommunistische Einfluß war hier schon deutlich zu erkennen. In der Folge hieß dies: Das gesamte industrielle Potential sollte verstaatlicht werden. Auf dem Land wurde eine Bodenreform durchgeführt. Das Programm der Nationalen Front deutete die neue Orientierung und Bindung der Tschechoslowakei an die Sowjetunion an.

Die Entschlossenheit des neuen Regimes zur Vertreibung der Deutschen konnte man aber noch nicht mit voller Deutlichkeit erkennen. Sie war bewusst kaschiert worden aus außenpolitischer Rücksichtnahme.. „Die furchtbaren Erfahrungen, welche die Tschechen und Slowaken mit der deutschen und magyarischen Minderheit gemacht haben, die zu einem großen Teil das gefügige Werkzeug einer gegen die Republik gerichteten auswärtigen Eroberungspolitik bildeten, und von denen sich vor allem die tschecho-sIowakischen Deutschen direkt zu einem Ausrottungsfeldzug gegen das tschechische und das slowakische Volk hergaben, zwingen die wiederhergestellte Tschechoslowakei zu einem tiefgreifenden und dauerhaften Eingriff.“ (Kaschauer Programm Art. VIII.)

Dr. Edvard Beneš (Privatsammlung E. Vacek)

Aber schon am 30. März 1936 bei einer Audienz der „Assoziation der ausländischen Presse“ auf der Prager Burg hatte Beneš auf die Frage, ob die Sudetendeutschen befürchten müssten, dass es auf Grund des neuen Staatsverteidigungs-Gesetzes inkl. Durchführungsbestimmungen im Grenzbiet zu Enteignungen kommen könnte, rau und prophetisch geantwortet: „Dies könnte da geschehen, wo sich wirklich Unzuverlässigkeit zeigt. Deswegen müssen gerade die Minoritäten ein Interesse habe, dass kein Krieg ausbricht. Denn in einem neuen Krieg würde sich jeder erinnern, welche Rolle die Minoritäten spielten …“ Deswegen gehe es im nächsten Krieg und bei Friedensverhandlungen nicht um die Erlangung neuer Gebiete, sondern um eine ethnographische Säuberung von der Art, wie die Frage im türkisch-griechischen Krieg in Kleinasien gelöst wurde – also um eine massenhafte Umsiedlung der Bevölkerung. Brutal gesagt: „Wer verliert, muss das verlorene Gebiet räumen.“

(Aufzeichnungen der Beneš-Rede – Privatkorrespondenz A 680-36 BA Kučera)

„Als Ausdruck der nie endenden Dankbarkeit der tschechischen und der slowakischen Nation der Sowjetunion gegenüber wird die Regierung die engste Bundesgenossenschaft mit der siegreichen slawischen Großmacht im Osten zur unabdingbaren Leitlinie der auswärtigen Politik machen. Der tschechoslowakisch-sowjetische Vertrag vom 12. Dezember 1943 über die gegenseitige Hilfeleistung, Freundschaft und Nachkriegs-Zusammenarbeit wird für alle Zukunft die außenpolitische Position unseres Staates bestimmen.

Mit Hilfe der Sowjetunion wird die Befreiung der Tschechoslowakischen Republik vollendet werden, damit auf diese Weise mit ihrer Unterstützung für immer deren Freiheit und Sicherheit gewährleistet und jede Nation der Tschechoslowakei unter allseitigem Zusammenwirken mit der Sowjetunion eine ruhige Entwicklung und glückliche Zukunft gesichert werde.“ (Kaschauer Programm Art. IV.)

Klemens Gottwald, der Vorsitzender der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei in Kaschau (Privatsammlung E. Vacek)

„Die Regierung wird von Anfang an eine praktische Zusammenarbeit mit der Sowjetunion durchführen, und zwar in jeder Richtung – militärisch, politisch, wirtschaftlich, kulturell –, wobei sie den Wunsch hat, mit der benachbarten ukrainischen sowjetischen Unionsrepublik einen gegenseitigen Vertreteraustausch und wechselseitige Beziehungen zu verwirklichen.“ (Kaschauer Programm Art.  IV.)„Zum Unterschied von dem früheren hochbürokratischen, volksfremden Verwaltungsapparat werden in den Gemeinden, Bezirken und Ländern als neue Organe der staatlichen und öffentlichen Verwaltung vom Volke gewählte Nationalausschüsse geschaffen.“ (Kaschauer Programm Art.  V)

Diese Übernahme der Verwaltungsstrukturen aus der UdSSR ebnete der Kommunisten den Weg zur Macht. Die Nationalausschüsse waren als Hebel vorgesehen, die, folgend den Prinzipien des demokratischen (sozialistischen) Zentralismus, die zentrale Leitung der Ökonomie und der ganzen Gesellschaft bis auf die lokale Ebene übernehmen sollten. Besonders in den bisher mehrheitlich deutsch besiedelten Gebieten waren die meisten Nationalausschüsse praktisch von Anfang an kommunistisch dominiert, da eine Mehrheit der tschechischen Neusiedler mit dieser Partei sympathisierte oder deren Mitglieder wurde.

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