Komotau | Chomutov

Historische Aufnahme vom Rathaus in Komotau (Foto: Gebietsmuseum Komotau)

Am Morgen des 8. Mai 1945 wurde Komotau von den Einheiten der 13. Sowjetischen Armee besetzt, Major Nosov war ihr Kommandant. Am nächsten Tag kon­stituierte sich dort ein tschechischer „Nationalausschuss“ und übernahm die Stadtverwaltung. Auch das 1. Regiment der Revolutionsgarden unter dem kommunistischen Kommandanten Karel Prášil bewegte sich im Bereich Komotau. Im Juni kamen noch Soldaten der 1. Tschechoslowakischen Division aus Postelberg und eine Abteilung des militärischen Geheimdienstes (OBZ) dazu, die den Auftrag hatten, auch dieses Gebiet von Deutschen zu „säubern“. Durch öffentlichen Anschlag wurde unter Androhung der Todesstrafe allen männlichen Personen im Alter von 14-65 Jahren befohlen, sich auf dem Turnplatz Jahnwiese einzufinden. Dabei durften sie Essensrationen für drei Tage (ohne Fleisch- und Fettprodukte), Ersatzwäsche und wichtige Dokumente mitnehmen.

Um den 15. Juni 1945 führte Stabskapitän Karel Prášil in Komotau eine Konzentration der Deutschen durch. Zuerst wurden von ihm zehn Deutsche ausgesucht, die angeblich anhand der Tätowierung als SS-Angehörige identifiziert worden waren. Die Soldaten der sogenannten Prášil-Soldateska schlugen sie und führten sie auf den Sportplatz, wo sie erneut gequält wurden, so lange bis sie liegen blieben. Einer von ihnen wurde mit Filmmaterial umhüllt und angezündet. Auf Befehl des russischen Kommandanten sollte dieses Treiben auf dem Turnplatz ein Ende haben und die Leichen weggeschafft werden. Die Quälereien und Gräueltaten sind jedoch weiter fortgesetzt worden. Die restlichen Deutschen wurden dann Richtung Reizenheim (nahe der sächsischen Grenze) abgeführt. Auf dem Weg wurden erneut 27 Personen erschossen. Die Leichen wurden auf dem Gelände der Glashütte, dem ehemaligen Sammellager, und in einem Bombentrichter unweit des militärischen Schießplatzes begraben. Es ging um ungefähr 140 Personen.

Zusammenfassung des Geheimberichts des Staatssicherheitsdienstes der Tschechoslowakischen Republikder (StB) vom 25. November 1947 (Brüx/ Most 1947, Nr. S/ 1-27676-B/ 1014-47)

Skizze des Weges der Vertreibung zu Grenze und ins Lager (Privatarchiv E. Vacek)

Aus den Protokollen der Zeugenaussagen bei der Staatssicherheit geht hervor, dass es noch zu weiteren zahlreichen Misshandlungen an Deutschen kam, an denen sich Angehörige der „Revolutionsgarden“ und der Abteilung der OBZ aus Po­stelberg beteiligten. Dies alles war aber nur ein Vorspiel. Nachmittags wurden etwa 1.500 bis 3.000 Männer aus der Stadt Richtung Staatsgrenze geführt. Tschechische Augenzeugen bestätigen, dass von hinten erschossen wurde, wer nicht mehr gehen konnte. Die Leichen blieben achtlos am Straßenrand liegen. Die Russen verwehrten jedoch den Grenzübertritt nach Sachsen in die sowjetische Besatzungszone. Ein Teil blieb deshalb nahe der Grenze, ein anderer Teil wurde in das Arbeitslager Maltheuern (Záluží) gebracht.

Über das Lager Maltheuern berichtet Günter Karweina: „Je 30 oder 40 der Neuankömmlinge werden auf eine der Barackenstuben verteilt, in denen doppelstöckige Pritschen stehen. Und dann begann das Sklavenleben. Der Tagesablauf ist von tödlicher Monotonie: Wecken um 4 Uhr morgens mit Schüssen. Um 5 Uhr einstündiger Marsch zum Hydrierwerk, das jetzt „Stalinwerk“ heißt. 12 Stunden Schwerarbeit in den zerbombten Werksanlagen. Rückmarsch um 7 Uhr abends, Ankunft im Lager um 8 Uhr. Exerzieren und Lagerarbeiten bis 10 Uhr. Schlafen von 10-4 Uhr, dann wieder Wecken mit Schüssen … unterbrochen nur von „anfeuernden“ Schlägen mit Gummikabeln.“

Katalog der Ausstellung „Damals in Komotau“, Gebietsmuseum Komotau 2007

Andere Deutsche wurden in das Sammellager Glashütte gebracht. Hier herrschten unter dem Kommandanten der SNB (Korps der Nationalen Sicherheit) František Průcha unerträgliche Zustände. Dieser ordnete zusammen mit Stabskapitän Kasl von der OBZ Folterungen und Misshandlungen von Deutschen an, bis sie an ihren Wunden starben. Am schlimmsten war Korporal Skalický, der den Menschen bei lebendigem Leibe ein Hakenkreuz in den Rücken ritzte und in die Wunden Pfeffer und Salz streute. Die Soldaten gaben mit diesen Taten noch an und luden Leute  von außerhalb des Lagers zum Zusehen ein. Es wurde auch viel geschossen. Nach Zeugenaussagen des Tschechen J. Havel wurden die Leute erst misshandelt und dann, wenn sie so stark verletzt waren, dass eine Heilbehandlung nicht mehr möglich war, erschossen.

Werk Glashütte 2006 (Foto: Privatarchiv E. Vacek)

Über Glashütten berichtet JUDr. Herbert Schürer: „Die ersten Einlieferungen in das Konzentrationslager, kurz genannt KZ Komotau, fanden am 30. Mai 1945 statt. Das Lager wurde in der alten Glashütte, einem außerhalb der Stadt gelegenen Fabrikgebäude, errichtet. Die Unterbringung sehr einfach. Kein Stroh als Lager. Auf dem Zementfußboden wurde geschlafen ohne Decken oder sonstige Bequemlichkeiten. Die Behandlung unmenschlich. Masseneinlieferungen fanden am 5. und 6. Juni 1945 statt. Die Eingelieferten waren aus Komotau oder der nächsten Umgebung und waren alle ehemalige Parteifunktionäre oder Führer von Gliederungen. In der Nacht vom 6. zum 7. Juni 1945 fanden in diesem Lager Massenerschießungen statt. Eine genaue Zahl kann nicht festgestellt werden, nach vorsichtiger Schätzung dürften es 67 Mann gewesen sein. Auch ein in derselben Nacht von Görkau nach Komotau überstellter Trupp ehemaliger SA-Angehöriger wurde mit erschossen. Die erste Wache, als Revolutionsgarde bezeichnet, bestand aus den Soldaten, die ich namentlich benennen kann. Diese Wachmannschaften stammten fast alle aus der Gegend von Kladno. Eine Berühmtheit erreichte der Igor, der als Totschläger, Watschenmann bekannt wurde. Bei Appellen, besonders wenn einer geflüchtet war, wurde besonders auf die Handschrift von Igor hingewiesen. Igor war als Auslandsarbeiter (Polen oder Ukraine) nach Deutschland gekommen und in Malkau, Sägewerk Holley, beschäftigt.“

Katalog der Ausstellung „Damals in Komotau“, Gebietsmuseum Komotau 2007

Nach einer Sitzung im Innenministerium am 9. Mai 1947 wurde die Abteilung des Staatssicherheitsdienstes (StB) angewiesen, diese Vorfälle nicht weiter zu untersuchen, da sie unter das Gesetz Nr. 115/ 1945 falle. Dieses Gesetz (Straffreistellungsgesetz) besagt: „Eine Handlung, die in der Zeit vom 30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1945 vorgenommen wurde und deren Zweck es war, einen Beitrag zum Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zu leisten, oder die eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziele hatte, ist auch dann nicht widerrechtlich, wenn sie sonst nach den geltenden Vorschriften strafbar gewesen wäre“. Am 3. Juli 1947 wurde jedoch diese Anweisung wieder aufgehoben; die Abteilung sollte ihre Untersuchungen fortführen und die Schuldigen der Staatsanwaltschaft zu Bestrafung übergeben. Die Untersuchungen wurden tatsächlich fortgesetzt, die Akten dann jedoch als geheim eingestuft. Keiner der darin Beschuldigten wurde je zur Rechenschaft gezogen.

Marktplatz von Komotau, um 1925 (Foto: Gebietsmuseum Komotau)

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