Die Gründung der tschechoslowakischen Exilarmee

und deren sowjetische Infiltrierung

Bahnhof in Buzuluk (Foto: Privatarchiv E. Vacek)

Nach der Demobilisierung der tschechoslowakischen Armee 1938 emigrierten viele Patrioten, um im Ausland gegen den deutschen Nationalsozialismus und für die Wiedererrichtung der Tschechoslowakischen Republik zu kämpfen. Einige, auch tschechische Offiziere aus dem westlichen ausländischen Widerstand, traten in das 1. Tschechoslowakische Armeekorps ein, das auf dem Gebiet der Sowjetunion in Buzuluk entstand. Dazu kamen Flüchtlinge aus dem „Protektorat Böhmen und Mähren“ sowie eine große Anzahl von Tschechen aus Wolhynien in der Ukraine, die dort im 19. Jahrhundert vom russischen Zar angesiedelt worden waren. In der Sowjetunion waren sie in Konflikt mit Stalins kommunistischem Regime geraten, ein Teil war in sowjetischen Arbeitslagern gelandet. Jetzt versprach man ihnen, dass sie nach dem Krieg in die alte Heimat zurückkehren dürften.

Das tschechoslowakische Armeekorps unterstand dem Kommando der Roten Armee. Es wurde poli­tisch von der KP (Kommunistische Partei der Tsche­choslowakei) im Moskauer Exil sowie durch die Partei­mitglieder in der Armee und ihre Sympathisanten beeinflusst. Ausgebildet und geleitet wurde es von sowjetischen Instruktoren. Dies galt insbesondere für die Aufklärungs- und Nachrichtenoffiziere, die eine separate Befehlsstruktur hatten und nicht der Armeeführung direkt untergeordnet waren.

In der Roten Armee wurde jedem Verband bis zur Bataillonsebene ein Politkommissar (Politruk) zugeteilt. Er besaß die Autorität, Befehle von Kommandeuren aufzuheben, die gegen die Prinzipien der KPdSU verstießen. Dies verminderte zwar die militärische Effizienz, stellte aber die politische Zuverlässigkeit der Armee gegenüber der Partei sicher.

Genaral Procházka, Major Gambulov (NKWD), Leutnant Reicin (Foto: Privatarchiv E. Vacek)

  In der tschechoslowakischen Exilarmee übernahmen diese Funktion vorerst die Verbindungsoffiziere des NKWD (Nationales Kommissariat für innere Angelegenheiten des sowjetischen Innenministeriums = Geheimdienst), ab dem 7. Januar 1945 dann – auf Befehl des Kommandeurs des 1. Tschechoslowakischen Armeekorps General Svoboda – der neu gegründete Geheimdienst OBZ (Abwehrnachrichtendienst). Der Leiter dieser Abteilung wurde Oberleutnant Bedřich Reicin und sein Vertreter Leutnant Karel Vaš. Der OBZ wurde auf direkten Antrag  von General  Mechlis gegründet, der das NKWD an der ukrainischen Front leitete. Dieser Abwehrdienst wurde nachweislich zum verlängerten Arm für die politische Führung der UdSSR und der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei.

Die Tätigkeit des OBZ war nicht nur undemokratisch, sondern verstieß auch gegen die Verfassung und geltende Gesetze. Dies lässt sich aus den Quellen und Zeugenaussagen der Akteure urteilen, obwohl nur ein Teil der Akten nach 1989 auffindbar war. Der Einfluss dieses Geheimdienstes und ihres Leiters Reicin (seit 1948 Brigadegeneral), der umfangreiche Machtbefugnisse hatte, wirkte bis in die fünfziger Jahre nach. Reicin wurde Ende 1952 bei „Säuberungen“ der kommunistischen Partei hingerichtet, der OBZ aufgelöst.

(Quelle: František Hanzlik, Der Abwehrnachrichtendienst im Kampf um die politische Macht 1945-1950, hg. vom Amt für die Dokumentation und Erforschung der kommunistischen Verbrechen.)

General Heliodoer Pika (Foto Privatarchiv E.Vacek)

Die Londoner Exilregierung und das Verteidigungsministerium mit seinem Geheimdienst unter Leitung von Oberst František Moravec verloren ganz den Einfluss auf das Geschehen im 1. Tschechoslowakische Armeekorps und auf die Befreiung der Tschechoslowakei vom nationalsozialistischen Deutschland, obwohl mehrere führende Offiziere in Moskau als Verbindungsleute zu ihr fungierten. Einer von ihnen war General Heliodor Pika. General Pika war gut darüber informiert, wie es in der Sowjetunion und in der Sowjetarmee zuging. Pika hat auch einiges gewusst, was die Sowjets nach Ausbruch des Kalten Krieges vor den Amerikanern geheim halten wollten. In den frühen Morgenstunden des 21. Juli 1949 wurde er hingerichtet. In der Nacht vor seiner Hinrichtung schrieb er an seine Familie, er sei überzeugt, es handle sich um einen Justizmord aus politischen Gründen. 1968 wurde Pika in vollem Umfang rehabilitiert.

Beneš, Kalinin im Hintergrund Woroschilow und Stalin in Moskau bei der Unterschrift der Freundschafstvertrages (Privatarchiv E.Vacek)

Präsident Beneš wurde für dieses Versagen der Exil­re­gie­rung kritisiert. Während eines Empfangs von führenden Generälen am 25. Mai 1945 ging er auf diesen Vorwurf ein und erklärte: „Bedenkt, dass wir im Ausland in gewisser Weise Opfer der Politik der Verbündeten waren. Es war ein Streit zwischen dem Osten und Westen, und wir wurden nicht gut behandelt. Es war ein schweres Dilemma. Ich habe die Vereinbarung zwischen England und der UdSSR kaum ertragen, denn sie stellte uns vor vollendete Tatsachen. Nach der Konferenz in Teheran habe ich festgestellt, dass die Slowakei der russischen Sphäre zugeordnet wurde, und nach sechs Monaten haben sie alle unsere Länder dieser russischen Sphäre überlassen. Es waren politische Spiele der Weltmächte, und wir taten alles, um unserer Nation nützlich zu sein.“

(Quelle: Militärisches Zentralarchiv, Militärkanzlei des Präsidenten Nr. 946, 1945, Seite 2)

Antritt des 1. Tschechoslowakischen Armeekorps in Buzuluk (Privatarchiv E. Vacek)

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