Podersam | Podbořany

Josef Hasenöhrl, geboren 1928 in Podersam

Podersam.  Der Zeitzeuge Josef Hasenöhrl erinnert sich: „Am 7. Juni 1945 bin ich an einem schönen sonnigen Nachmittag aus der Bäckerei Nekvinda gekommen, wo ich Brot kaufte. Auf der Otschehauer Straße gingen 68 Podersamer Bürger vorbei, die im Gefängnis inhaftiert waren und in Richtung Otschehau marschierten. Bewaffnete Wächter in Afrika-Uniformen, vielleicht zwölf an der Zahl, gingen neben ihnen. Am Ende erkannte ich den beinamputierten Trafikanten Fritz Schuma, auf seinen zwei Krücken von Freunden getragen. Der zweite Fußamputierte war Rudolf Stocklasa, ebenfalls von zweien getragen. Als ich es meiner Mutter zuhause erzählte, meinte sie, die Armen werden halt in den Wald arbeiten gehen müssen. Doch schon am nächsten Tag erfuhren wir, dass alle, bis auf einen, der geflüchtet ist, beim Elementen Wald niedergemetzelt worden sind. Abends holte Karel Srp Otschehauer Bürger mit Schaufeln und Leiterwagen und befahlt ihnen, die Toten ausziehen und in zwei Massengräbern beerdigen. Ich habe mit diesen Otschehauer Bürgern nach 30 Jahren das Geschehene niedergeschrieben, und sie wussten noch ganz genau, wer in welchem Grab liegt und wie er geschlichtet worden ist. Die meisten hatten zertrümmerte Köpfe mit herausgelaufenem Gehirn.“

Zeitzeugenaussage vom Mai 2009 in Frankfurt am Main 2009

Beerdigung von Deutschen in Podersam vor der Porzellanfabrik im Juni 1945 (Foto: Privatarchiv Josef Hasenöhrl)

Massenhinrichtung bei Otschehau (Očihov) – geheimer Untersuchungsbericht des Staatssicherheitsdienstes Brüx vom den 25. August 1947 (Auszug): „Im Mai 1945 wurden in Podersam und Umgebung Personen deutscher Nationalität sichergestellt, vornehmlich Angehörige der SS und SA sowie Funktionäre der NSDAP. Diese Personen kamen ins Podersamer Gefängnis sowie ins errichtete gesicherte Lager, dortselbst ohne irgendwelche Verzeichnisse und Belege, da die Durchführung, ohne Beisein von staatlichen Sicherheitsorganen, nur von laienhaften Elementen organisiert worden ist. Ende Mai 1945 kamen in das Lage Angehörige der sowjetischen Armee, angeführt von einem Offizier, welche nach einer nicht ermittelten Vorgehensweise 70 Deutsche, meistenteils Angehörige der SS, auswählten und angaben, dass sie diese wegbringen, um sie nach Russland zur Arbeit zu schicken. Die Deutschen wurden dann in Richtung Otschehau geführt, und nach örtlichen Gerüchten wurden sie beim Wald, an der rechten Seite der Straße Podersam-Otschehau, am Feldweg zirka 150 m vom Wald entfernt, auf dem Feld und zur rechten Seite des Feldweges erschossen und auf dem Feld zur linken Seite des Feldweges in einer Grube der Größe 5 x 4 m vergraben. Zeugen dieses Falles konnten nicht ermittelt werden.“

Skizze des Massengrabes in Otschihau (Očihov), Archiv der Sicherheitsformationen des Innenministeriums der Tschechischen Republik, Außenstelle Kanice bei Brünn

Untersuchungsbericht des Landesgebietsamtes der Staatssicherheit Brüx 25. August 1947 (Archiv des Innenministeriums Prag, Abteilung VII)

Skizze des Massengrabes der Familie Hertl in Rudig|Vroutek (Archiv der Staatssicheitpolizei des Innenministeriums der Tschechischen Republik, Außenstelle Kanice bei Brünn)

Rache an der Familie Hertl – aus den Akten des Staatssicherheitsdienstes Brüx vom 25. August 1947: „Anfang Juli 1945 zog František Zelenka im Rahmen der Aktion Besiedlung nach Rudig (Vroutek), Kreis Podersam, und ihm wurde, mit Genehmigung des Bezirksnationalausschusses in Podersam, die Werkstatt des Deutschen Adolf Traugott zugeteilt. Traugotts Schwiegervater Vinzenz Hertl wollte einerseits die Werkstatt für den Schwiegersohn retten, und wollte andererseits nicht zulassen, dass sie von einem Tschechen übernommen wird. Daher griff er den nationalen Verwalter Zelenka am 19. Juni 1945, zirka um 9.30 Uhr auf der Hauptstraße in Rudig an und stach ihn mit dem Schusterkneif so schwer, dass Zelenka nach einigen Minuten starb. Nach dem begangenen Mord floh Hertl mit Ehefrau und Tochter in sein Haus und ließ Zelenka auf der Straße liegen.

Der Fall wurde untersucht von Oberwachtmeister Emil Maudr und Wachtmeister Josef Podhrazsky von der früheren Polizeistation in Rudig, zusammen mit fünf Mitgliedern der Partisanengruppe Schwarzer Löwe. Nach der telefonischen Meldung trafen am Ort ein: Bezirkspolizeikommandant Pilkest und der polizeiliche Bereitschaftsdienst, Amtsleiter der politischen Verwaltung in Podersam Dr. Krasa, derzeit zugeteilt dem Bezirksnationalausschuss in Luditz, der Bezirksrichter Dr. Jezek aus Podersam und als Amtsarzt Dr. Walter Zimmermann aus Podersam. Nach erfolgtem Sezieren des Getöteten und ordentlicher Untersuchung des Vorfalles, als mit Sicherheit festgestellt wurde, dass die Tat aus Hass gegen Tschechen begangen worden war, und weil es notwendig war, durch eine mit beispielhafte Bestrafung der Schuldigen weitere Angriffe auf Tschechen zu verhindern, damit die Besiedlung mit Erfolg durchgeführt werden konnte, befahl Dr. Krasa, damals noch in der Funktion als Bezirkshauptmann, das sofortige Erschießen des Mörders Vinzenz Hertl, seiner Frau Marie Hertl, Tochter Gabriele Polak und den Kindern Manfred Polak, 12 Jahre alt, Ferdinand Polak, 6 Jahre alt, und Bernhard Polak, 1 Jahr alt.

Die Hinrichtung durch Erschießen führten nicht ermittelte Mitglieder der Gruppe „Schwarzer Löwe“ in der Sandgrube durch, an einer Stelle bei der alten Kabine des Fußball-Clubs Rudig, im Wald hinter der Gemeinde. In der Mitte der Sandgrube wurde ein Massengrab ausgehoben, in das die Getöteten gelegt wurden. Zeugenaussagen haben ergeben, dass der Kommandant der SNB-Station (Korps der Nationalen Sicherheit) in Rudig, Hauptwachtmeister Emil Maudr, und der Amtsleiter des Bezirks(national)ausschusses in Luditz, JUDr. Krasa, diese Tat als gerechte Vergeltung ohne habsüchtige Gründe begangen haben.“

Akten Landesnationalausschuss des Gebietsamtes des Staatssicherheitsdienstes Brüx vom 25. August, Archiv der Sicherheitsinformationen des Innenministeriums Prag, Abteilung VII. AMV ČR- KA, f. A 2/1, kart. 56-58, inv. č.j. 1765

Deutsche Zwangsarbeiter auf der Rüdigerstraße in Podersam mit Bewachung (Privatarchiv J. Hasenöhrl)

Was uns eine alte Fotografie erzählt: Die nebenstehende Aufnahme entstand im Mai 1945 in Podersam auf der Rüdigerstraße. Im Hintergrund ist der Limonadenbetrieb Köttig zu sehen. Sie zeigt eine Gruppe von etwa fünfzig jungen Burschen und älteren Männern aus Podersam auf dem Rückweg von der Zwangsarbeit in das Lager „Porzellanfabrik“. Deutlich sind bei einigen die weißen Armbinden zu sehen, die alle Deutschen tragen mussten. Die vier mit Gewehren und Maschinenpistolen bewaffneten Männer im Vordergrund sind Revolutionsgardisten. Sie tragen zum Teil Uniformen des Deutschen Afrikakorps. Das Foto wurde von dem fünften Bewacher aufgenommen.

nächste Seite: Die Neubesiedlung von Nordböhmen