Peter Klepsch, ehemaliger Insasse des Lagers Postelberg:
Nach drei Wochen im Mai 1945 zogen die Russen plötzlich ab, das war an einem Freitag. Da sind die russischen Soldaten plötzlich aus Saaz verschwunden, und die ganze Stadt war voll mit tschechischen Uniformen, und es liefen bereits Gerüchte in der Stadt, dass in Postelberg die Leute alle verschwunden sind. Das war am Samstag. Und am Sonntagmorgen um 9 Uhr wurde ich von meiner Schwester aus dem Bett geholt, sie sagte: „Es sind Soldaten da, du musst auf dem schnellsten Weg auf den Ringplatz kommen. Alle deutschen Männer von 12 bis 65 Jahren haben sich unter Drohung der Todesstrafe dort einzufinden.“ Wir sind dort aufmarschiert, und zwar in zwei Kolonnen.
Der damalige Hauptplatz der Stadt war durch ein Wasserbecken geteilt, das vom Luftschutz zu Löschzwecken angelegt wurde. Es waren also von Anfang an zwei Kolonnen, links und rechts der Dreifaltigkeitssäule angeordnet. Was ich als Erstes sah, das war ein Mord an einem Postbeamten namens Gansl. Der kam durch die Liebotschaner Pforte herauf, anscheinend zu spät oder hat irgendeine Bemerkung gemacht. Man hat ihn sofort totgeschossen, und irgendein junger Mann mit Motorrad ist dann über ihn hin- und hergefahren. Das Schrecklichste war, dass sich in den Speichen des Rades das Gedärm des unglücklichen Mannes verwoben hat. Es war ein grässlicher Anblick, und das Allerschlimmste war, der Mann war ein kleiner Postbeamter, war eigentlich in der ganzen Stadt als alter Sozialdemokrat und überhaupt nicht als Nazi bekannt. Das war der erste Schock, den wir hatten, und wir wurden dann – soweit ich mich erinnern kann – in zwei Kolonnen abgeführt.
Meine Kolonne zum Bahnhof. Wir mussten dort eine Weile warten, gingen dann hinter dem Bahnhof unter den Gleisen, dort war ein Durchbruch Richtung Stankowitz, da war ein Feldweg und oben, wo heute der Autohof ist, das war damals leer und unbebaut und auf dem Hügel mussten wir warten, bis die nächste Kolonne kam, und unsere Posten haben gesagt: „Gebt eure Uhren her, ihr werdet nie mehr welche brauchen. “Da warteten wir, bis die nächste Kolonne anmarschierte, und wir sind dann in Sechserreihen unter Bewachung von berittenen Soldaten nach Postelberg geführt worden und kamen dort erst am Nachmittag an. Die Stadt machte für mich einen geisterhaften Eindruck, sie war völlig leer, es war kein Mensch auf der Straße, und wir wurden dann in die Kaserne und auf den Kasernenhof geführt, und dort hieß es: „Setzt euch.“ Wir mussten uns niedersetzen, und dann hat sich eigentlich am Rest des Sonntags – es kamen immer wieder Kolonnen, auch von den Dörfern – nicht viel bewegt. Nachts mussten wir auf dem Pflaster schlafen, so wie wir waren, wie wir kamen; viele im Sonntagsanzug, denn es war ja Sonntag, der 3. Juni.
Auszug aus dem Geheimbericht des Prager Innen- und Verteidigungsministeriums von 1947: Nach Informationen kam es von deutscher Seite zu einigen provokativen Taten gegen die tschechoslowakische Armee. Aus diesem Grunde gab der damalige Standortkommandant von Saaz, Oberstleutnant Duřt, der jetzige Befehlshaber einer Einheit in Niemes, im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der Bezirksverwaltungskommission, Dr. Petrášek, eine Bekanntmachung heraus, nach der die Deutschen an einem bestimmten Ort konzentriert werden sollten.
Diese Konzentrierung führten in Saaz die Mitglieder der ersten tschechoslowakischen Division aus, unter Befehl von Hauptmann erný und Hauptmann Jan Zícha, der als Nachrichtenoffizier den Namen Petrov hatte. Nach Ermittlungen des Ministeriums für nationale Verteidigung und des Innenministeriums, die bisher als vorläufig angesehen werden müssen, hat sich der Genannte keiner der Taten schuldig gemacht, die ihm heute zugeschrieben werden. Es besteht die Vermutung, dass es deshalb so ist, weil Zícha der einzige Offizier ist, der in dieser Gegend verblieb und der außerdem die wichtige Funktion des Vorsitzenden des Kreisnationalausschusses innehat.
Archiv der Sicherheitsformationen des Innenministerium der R-KA, f. A2/ 1, Kart. 58/ 1765
Was sonst noch geschah in Saaz: Nur Stunden vor Kriegsende war ein Evakuierungstransport aus dem KZ Theresienstadt durch die Stadt gezogen. Er hatte Seuchenopfer und Schuldgefühle hinterlassen. Auch wurde eine Gruppe schlesischer Kleinkinder vom Kriegsende in Saaz überrascht und von den Russen unter Todesdrohungen auf Saazer Familien verteilt. Eine unbekannte Zahl von Menschen wurde am Wochenende des 2./ 3. Juni an der südlichen Mauer des „Neuen Friedhofs“ erschossen. In einem Massengrab sollen knapp hundert Menschen, darunter im Lazarett verstorbene Soldaten, liegen. Etwa fünfzig Personen wählten in diesen Tagen aus Angst vor Schlimmerem den Freitod. Sinngemäß aus den Erinnerungen von Peter Klepsch.
Bericht der Kommandantur der Landesgendarmerie Komotau für die Prager Landeskommandantur über die Situation im Bezirk Saaz von 20. Juni 1945: Am Sonntag, den 3. Juni 1945 haben Abteilungen der tschechoslowakischen Armee eine Säuberung in der Stadt durchgeführt. Es wurden deutsche Männer im Alter von 13-65 Jahren mit Begleitung des Militärs in Arbeitslager in Saaz und Postelberg gebracht. Die Zahl betrug ungefähr 5.000 Männer.
Am 13. Juni hatte die Standortkommandantur in einer Kundmachung angeordnet, dass alle deutschen Frauen mit ihren Kindern, ohne Rücksicht auf den Altersunterschied, sich bis 10 Uhr am Vormittag in den ehemaligen SS-Kasernen in Saaz einzufinden haben. In ihrem Gepäck wurden Wertgegenstände wie Gold und Schmuck gefunden, die ihnen abgenommen und zu diesem Zweck der Kommission übergeben wurden. So wurden mehrere Kisten Gold und wertvoller Schmuck im Gebäude der Nationalbank in Saaz abgegeben. Die Personen wurden dann nach Alter und Arbeitsfähigkeit in Arbeitsabteilungen eingeteilt.
Die Sicherheitsverhältnisse werden langsam besser. Eine ziemlich bedeutsame Zahl von tschechischen Interessenten, Gewerbetreibenden und Landwirten sind noch mit der Besiedlung von Stadt und Land abwartend. Die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln ist befriedigend auf der Grundlage von Lebensmittelkarten geregelt. Im Monat Juni 1945 ist bei den internierten Bewohnern in mehreren Fällen Bauchtyphus ausgebrochen. Der Abteilungskommandant.
Quelle: ABS-Ka, f. A 14, kart. 1, i.j. 6
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